Gemeinsames Sorgerecht: Was bedeutet das in der Praxis?

Gem. § 1626 I S.1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (sog. Elterliche Sorge oder Sorgerecht). Beide Elternteile haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigen Einverständnis zum Wohl des Kindes auszuüben, § 1627 S.1 BGB.

Erlangen des gemeinsamen Sorgerechts

Sind die Eltern verheiratet, erlangen beide Elternteile mit der Geburt des Kindes automatisch das gemeinsame Sorgerecht.

Sind die Eltern des Neugeborenen im Zeitpunkt der Geburt nicht miteinander verheiratet, erlangt dessen Mutter auch hier automatisch die elterliche Sorge. Der andere Elternteil wird rechtlich anerkannter Vater, wenn er gem. § 1592 Nr.2 BGB die Vaterschaft anerkannt hat oder die Vaterschaft gerichtlich festgestellt wird (§ 1592 Nr.3 BGB).

Zudem wird nach § 1626a I BGB weiter verlangt, dass beide Eltern eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben, sie nach der Geburt heiraten oder ihnen die elterliche Sorge gerichtlich übertragen wird. Das zuständige Gericht tut dies nur, wenn die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht im Widerspruch zum Wohl des Kindes steht, was allerdings, wenn der andere Elternteil keine entsprechenden Gründe vorträgt und solche auch nicht ersichtlich sind, vermutet wird, § 1626a II BGB.

Umfang des gemeinsamen Sorgerechts

Das Sorgerecht umfasst gem. § 1626 I S.2 BGB die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) sowie für das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Nach § 1629 I S.1 BGB ist auch die rechtliche Vertretung des Kindes umfasst.

Die Personensorge umfasst die Regelung der persönlichen Angelegenheiten des Kindes, insbesondere:

  • Pflege
  • Erziehung
  • Beaufsichtigung
  • Aufenthaltsbestimmung
  • Wahl der Schule / Ausbildung / Beruf
  • Bestimmung des Vor- & Familiennamens
  • Einwilligung in medizinische Maßnahmen
  • Religion

Im Rahmen der Vermögenssorge sind die Eltern zum Schutz und Erhalt sowie, wenn möglich, der Vermehrung des Kindesvermögens verpflichtet (§ 1642 BGB).

Die rechtliche Vertretung erteilt den Eltern die Befugnis Rechtsgeschäfte, Einwilligungen und Rechtsstreitigkeiten mit Wirkung für und gegen das Kind vorzunehmen.

Auswirkungen einer Trennung auf das gemeinsame Sorgenrecht

Im Falle der (nicht nur vorübergehenden) Trennung der Eltern, welchen beiden das Sorgerecht zusteht, ist stets das gegenseitige Einverständnis beider Elternteile in Bezug auf für das Kind bedeutende Entscheidungen einzuholen (§ 1687 I BGB). Dies gilt unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht. Können sich die Eltern in wichtigen Fragen nicht einigen, kann das zuständige Familiengericht die Entscheidung einem Elternteil auf Antrag übertragen (§ 1628 S.1 BGB).

Bei Entscheidungen bzgl. alltäglichen Angelegenheiten müssen die Eltern versuchen sich zu einigen (§ 1627 S.2 BGB).

 

Trennungsjahr: Warum ist es wichtig und was bedeutet es?

Gem. § 1565 II BGB kann eine Ehe grundsätzlich nur geschieden werden, wenn die Ehegatten bereits ein Jahr getrennt lebten (sog. Trennungsjahr). Etwas Anderes gilt nach § 1565 II BGB nur dann, wenn das Weiterführen der Ehe für einen der Ehepartner aufgrund der Person des anderen Ehepartners unzumutbar wäre.

TrennungsjahrWarum das Trennungsjahr wichtig?

Die Ehe ist ein verbindlicher Vertrag, welcher gem. § 1353 I BGB auf Lebenszeit geschlossen wird und somit auf Dauer angelegt ist. Der Sinn der Regelung des § 1565 II BGB liegt darin, die Bestandskraft der Institution der Ehe zu bewahren. Beide Ehegatten sollen durch das Trennungsjahr von einer voreiligen Entscheidung über eine Trennung abgehalten und animiert werden, sich ausführlich mit ihren Scheidungsgedanken auseinanderzusetzen und sich im besten Fall wieder zu versöhnen. Ferner sollen den Eheleuten die möglichen Folgen einer Scheidung wie Sorgerecht, Unterhalt oder Umgangsrecht bewusst werden.

Wann beginnt das Trennungsjahr?

Das Trennungsjahr beginnt rechtlich gesehen grundsätzlich dann, wenn die Eheleute sich trennen. Voraussetzung dafür ist gem. § 1567 I BGB, dass die Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft mehr bilden, was in der Regel dann der Fall ist, wenn einer der beiden Eheleute aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist. Wichtig hierbei ist, dass die Trennung offen zwischen den Ehepartnern kommuniziert wird und eventuell schriftlich festgehalten wird.

Wohnen beide Ehegatten jedoch weiterhin in der gemeinsamen Ehewohnung, kann ein Getrenntleben gem. §§ 1565 II, 1566, 1567 BGB nur dann angenommen werden, wenn nur noch wenige Gemeinsamkeiten bestehen und „ein der konkreten Wohnsituation entsprechendes Höchstmaß an räumlicher Trennung nachgewiesen ist“ (OLG Brandbg, 4. Senat, 13 UF 16/21). Erforderlich hierfür ist insbesondere das Nutzen von getrennten Schlafzimmern und, dass das Getrenntleben auch nach außen in Erscheinung tritt, indem die Eheleute beispielsweise getrennte Haushalte führen und keine wesentliche persönliche Beziehung mehr pflegen. Jedoch steht der Annahme des Getrenntlebens ein freundschaftlicher und respektvoller Umgang nicht entgegen (OLG Frankfurt, 1. Senat, 1 UF 160/23).

Kann ich mich auch vorher scheiden lassen?

Das Trennungsjahr muss gem. § 1565 II BGB nur dann nicht eingehalten werden, wenn das Weiterführen der Ehe eine unzumutbare Härte für einen der Ehegatten darstellen würde (sog. Härtefallscheidung). Solche Härtefälle liegen jedoch nur bei besonders schwerwiegenden Fällen und Verhaltensweisen des Ehepartners vor. Beispiele für das Vorliegen von Härtefällen sind:

  • Körperliche Bedrohungen, Beleidigungen und Misshandlungen durch den Ehepartner (insb. in Anwesenheit der Kinder)
  • Alkoholmissbrauch und Ablehnung / Scheitern einer Entzugstherapie
  • Drogenmissbrauch
  • Straftaten
  • Vergewaltigung des Ehepartners
  • Morddrohungen gegen den Ehepartner
  • Eheschließungen, um Aufenthaltstitel zu erhalten

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass durch das Verhalten des Ehepartners für den anderen eine unzumutbare Lebenssituation geschaffen werden muss. Derjenige, welcher eine Härtefallscheidung erwirken möchte, muss das Vorliegen solcher unzumutbaren Verhaltensweisen jedoch nachweisen. Die endgültige Entscheidung, ob ein solcher Härtefall vorliegt, trifft das zuständige Familiengericht.

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Im Zuge einer Ehescheidung entstehen unweigerlich Kosten, welche sich schon alleine aus den Gerichts- und Anwaltskosten ergeben, wobei zusätzlich weitere Beträge anfallen können. Anwalts- und Gerichtskosten sind bei einem Scheidungsverfahren unumgänglich, da eine Scheidung in Deutschland immer vor Gericht erfolgen muss und dabei Anwaltszwang herrscht. Eine Scheidung kann also nicht ohne Rechtsanwalt durchführt werden. Die Höhe der Anwaltskosten richtet sich in aller Regel nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Denkbar sind aber auch höhere Gebühren, welche durch individuelle Vergütungsvereinbarung zustande kommen oder sich an einem Pauschalhonorar orientieren.

Der sogenannte Verfahrenswert spielt im Scheidungsverfahren auch eine große Rolle, da sich an ihm die Höhe der Vergütung nach dem RVG und auch die Gerichtskosten (auch Verfahrenskosten genannt) bemessen. Der Verfahrenswert setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen und ist nicht ganz einfach zu ermitteln. Hierzu werden die letzten drei vergangenen Nettomonatseinkommen der zu scheidenden Ehegatten miteinander verrechnet, hinzu kommen mögliche Rentenanwartschaften und die Berücksichtigung von Kindern. Des Weiteren sind zusätzliche Vermögenswerte, Sparanlagen, Immobilien und Schulden zu berücksichtigen. Es existieren auch Freibeträge, welche pro Ehegatte 60.000 € und pro Kind 30.000 € betragen und auf das Vermögen angerechnet werden.

Auch der Wert des vorzunehmenden Versorgungsausgleichs spielt für die Berechnung des

Verfahrenswertes eine Rolle, da dieser bei Bestehen eines solchen nochmal leicht erhöht wird. Nach Berücksichtigung aller Umstände und Beträge wird der Verfahrenswert durch gerichtlichen Beschluss festgelegt und ist von diesem Zeitpunkt an maßgeblich.

Die Rechtsanwaltskosten, welche nach RVG erhoben werden, orientieren sich an fest zugeordneten Beträgen. Für einen Verfahrenswert von 25.000 € wären dies 874 € (Stand seit 2021). Für Scheidungsverfahren wird dieser Satz mit dem Faktor 2,5 multipliziert, also der 2,5-fache Gebührensatz. Dies würde also Anwaltskosten in Höhe von 2185 € + 19% Mehrwertsteuer und den eventuellen Gebühren für Post und Telekomunikation (20€) ergeben. Aus dem Verfahrenswert ergeben sich wie oben erwähnt auch die Gerichtskosten. Das Gerichtskostengesetz (GKG) sieht ebenfalls feste Beträge für den jeweiligen Verfahrenswert vor. Für einen Wert von 25.000 € betragen diese 411 €. Bei Scheidungen wird von der doppelten Gebühr, also 822 € ausgegangen. Die Berechnung dieser Gebühren ist gesetzlich fest vorgeschrieben und kann weder von Eheleuten noch von den Rechtsanwälten erheblich beeinflusst werden.

Dennoch besteht für die an der Scheidung beteiligten Parteien die Möglichkeit Kosten zu sparen. Sofern man sich darauf einigen kann, dass sich nur eine Partei von einem Rechtsanwalt vertreten lässt und der andere Ehegatte/-gattin der Scheidung zustimmt, lassen sich zumindest die Rechtsanwaltskosten deutlich reduzieren. Die entstandenen Anwaltskosten müssten dafür untereinander aufgeteilt werden.

In der Praxis wird es aber in den meisten Fällen notwendig sein, dass sich beide Eheleute anwaltlich vertreten lassen müssen, da zusätzlich zur Scheidung häufig Fragen zum Unterhalts-, Sorge- oder Umgangsrecht zu klären sind oder eine Korrespondenz untereinander ausgeschlossen ist. Hierbei ist zum Wohl der Kinder eine professionelle Hilfe zu empfehlen.

Wir als Rechtsanwaltskanzlei mit Fachanwälten für Familienrecht stehen Ihnen für Fragen dieser Art mit umfassender Beratung zur Verfügung.

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