Mit der Novelle des Bußgeldkatalogs für Verkehrsordnungswidrigkeiten hat das Bundesverkehrsministerium die Strafen für Geschwindigkeitsverstöße drastisch erhöht. So werden nach dem neuen Bußgeldkatalog bereits Überschreitungen des Tempolimits von nur 21 km/h innerorts oder 26 km/h außerorts mit einem Fahrverbot von wenigstens einem Monat sanktioniert.
Im Vergleich zu den Sanktionen des alten Bußgeldkatalogs stellt dies eine erhebliche Verschärfung dar. Nach dem alten Bußgeldkatalog drohte innerorts erst bei einer Überschreitung von 26 km/h und außerorts erst bei einer Überschreitung von 41 km/h beziehungsweise einem zweimaligen Verstoß mit 26 km/h binnen zwölf Monaten.
Im Verfahren zum Erlass der StVO-Reform ist vorliegend allerdings ein gravierender Fehler passiert, es wurde hierbei vergessen, die Ermächtigungsnorm, auf deren Grundlage die Reform erfolgt ist, zu zitieren. Ein derartiger Verstoß gegen das Zitiergebot führt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingend zur Nichtigkeit der Verordnung, so dass die Anwendbarkeit der neuen Bußgelder fraglich ist.
Sollten Sie daher einen Bußgeldbescheid für eine Verkehrsordnungswidrigkeit erhalten haben, die nach dem 28.04.2020 begangen wurde, bestehen sehr gute Chancen, gegen diesen Bescheid vorzugehen. Insbesondere für verhängte Fahrverbote besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese unrechtmäßig waren, und ein Vorgehen dagegen zum Erfolg führt.
Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben, sollten Sie diesen daher schnellstmöglich durch einen Rechtsanwalt überprüfen lassen, um durch Einlegung eines Einspruchs möglicherweise die Einstellung des Verfahrens, zumindest aber eine Sanktionierung nach dem alten Bußgeldkatalog zu erreichen, was häufig die Vermeidung des Fahrverbots zur Folge hat.
Gegen den Bußgeldbescheid steht Ihnen ab dem Zeitpunkt der Zustellung eine Einspruchsfrist von zwei Wochen zur Verfügung, die zwingend einzuhalten ist.
Gerne stehen wir Ihnen im Falle einer Ordnungswidrigkeit beratend zur Seite und unterstützen Sie bei der Beantwortung des Anhörungsbogens, dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und übernehmen für Sie die Vertretung im Ordnungswidrigkeitsverfahren vor den Gerichten.
Nachtrag
Im Jahr 2020 ging ein Autofahrer gegen einen Bußgeldbescheid, welcher gegen ihn nach den Vorschriften der „StVO-Novelle 2020“ verhängt wurde, gerichtlich vor. Er berief sich hierbei auf das in unserem alten Blogbeitrag bereits thematisierte Zitiergebot aus Art. 80 I 3 GG, welches die Nichtigkeit oder zumindest Teilnichtigkeit des neuen Bußgeldkatalogs zu Folge hätte. Hierzu urteilte das OLG Zweibrücken Ende 2020, nachdem der Beschwerdeführer zuvor erstinstanzlich zu einem Bußgeld von 100€ verurteilt wurde, wie folgt:
- Bisherige Rechtslage gilt bei (Teil-)Nichtigkeit
- Beschwerdeführer kann sich grade NICHT auf mögliche Nichtigkeit der neuen „BKatV“ berufen, da sein Verhalten nach alter Rechtsklage einen Verstoß gegen StVO darstelle
- Es liegt gerade „kein Zustand ohne Regelung“ vor
- Rechtslage nach Verkündung der „StVO-Novelle“ für Ihn gerade NICHT günstiger als zum Zeitpunkt der Ordnungswidrigkeit
Das bedeutet:
- Autofahrer müssen Bußgeld dennoch bezahlen, auch wenn der Verstoß vor der Novellierung des BKatV begangen wurde! Alte Rechtslage gilt dann fort, was für Betroffene häufig sogar die günstigere Alternative darstellen kann. (siehe „Neuer Bußgeldkatalog unwirksam!“)
- Das Zitiergebot wurde im Übrigen seitdem eingehalten und so auch im Bußgeldkatalog 2024 beachtet
Quelle: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.11.2020 – .11.2020 1 OWi 2
Redaktion beck-aktuell, 8. März 2021.